Reisen & Recherchen

Madeira - Wind und Meer



Eine der wichtigsten Dinge für einen Schriftsteller ist die Recherche. Es gilt, Sachbücher und Chroniken zu lesen, Bilder anzusehen und eben auch den heimatlichen Schreibtisch zu verlassen und an interessante Orte zu reisen, um neue Eindrücke zu gewinnen. Diese kann man sowohl für bereits geplante Romane verwenden, wie auch als Anregung für Romane, die in Zukunft entstehen könnten.

Für heuer hatten wir eigentlich eine Recherchereise nach Süditalien geplant, mussten diese aber aus verschiedenen Gründen auf nächstes Jahr verschieben. Stattdessen beschlossen wir, den Spuren der portugiesischen Entdecker zu der Zeit zu folgen, als diese ihre Schiffe zum ersten Mal ins Unbekannte hineinsteuerten. Auch wenn den Gebildeten unter ihnen längst bewusst war, dass die Erde eine Kugel sein musste, so zitterten die einfachen Matrosen vor Angst, ans Ende der Welt zu geraten und dort in das Reich der Hölle zu stürzen.

Es war das Verdienst Heinrichs des Seefahrers, die Erforschung der Seewege an der Küste Afrikas voranzutreiben, und von Männern wie João Gonçalves Zarko und Tristão Vaz Texeira, die vermutlich in Italien geklauten Seekarten folgend die Inseln Porto Santo und Madeira erreichten und für die Krone Portugals in Besitz nahmen.



Unser Flug nach Madeira war sicher bequemer als Zarkos und Texeiras Fahrt mit ihren Nussschalen. Wie meistens auf Recherchereisen wurden wir von unserer Agenturlektorin Ingeborg begleitet, deren Erfahrung wir zu schätzen gelernt haben. Der erste Eindruck von der Insel war atemberaubend. Alles blühte in bunten Farben und das Meer strahlte so blau wie sonst nur in einem Hollywoodfilm. Uns war jedoch bewusst, dass die Insel für João Gonçalves Zarko bei seiner Ankunft im Jahr 1418 einen anderen Anblick geboten hatte als uns. Damals war die Insel mit einem dichten Wald aus Lorbeergewächsen bedeckt und die meisten blühenden Pflanzen wurden erst später von Menschen auf Madeira eingeführt.

In den nächsten Tagen wurden Taxis und Überlandbusse unsere bevorzugten Beförderungsmittel. Es galt, möglichst viel von der Insel zu sehen und jene Orte aufzusuchen, an denen die frühen Seefahrer gewesen waren. Museen, Kirchen, aber auch die ursprüngliche Landschaft des Lorbeerwaldes waren unsere Ziele.

Wenn wir dann am Abend zusammensaßen und den Tag Revue passieren ließen, ergaben sich immer wieder überraschende und interessante Aspekte und es lockte uns förmlich, umgehend einen Roman über die frühen Entdecker zu schreiben. Ingeborg bremste unseren Enthusiasmus jedoch immer wieder, indem sie uns an die bereits geplanten Romane erinnerte, die schon teilweise recherchiert sind. Auch brauchen wir mehr Stoff als nur die Seefahrt zu unbekannten Inseln, damit ein runder Roman entstehen kann.

Dennoch freuten wir uns jeden Tag auf die Ziele, die wir auf Madeira anfahren wollten. Einen Tag aber verbrachten wir auf der weitaus kleineren Insel Porto Santo, die João Gonçalves Zarko als Erste im Madeira-Archipel angelaufen hat. Dort sahen wir, wie menschliche Besiedlung eine Gegend verändern kann. War diese Insel zur Zeit der Entdeckung ebenfalls von einem dichten Lorbeerwald bedeckt gewesen, so lag sie nun trocken und zu großen Teilen kahl vor uns. Die alten Wälder sind verschwunden und nur mit Mühe gelingt es, neue Bäume anzupflanzen. Der Wassermangel ist die große Geißel dieser Insel, denn ohne Bäume, deren Wurzeln den seltenen Regen speichern können, versickert das Wasser im Boden und verschwindet irgendwo im Meer.

Porto Santo war ebenso wie Madeira ein begehrtes Ziel von Piraten. Auch das wäre eine Geschichte, über die sich nachzudenken lohnt. Allerdings stießen wir auf Madeira auf Berichte über eine interessante Persönlichkeit, die wir nicht aus den Augen lassen sollten.

Iny und Elmar Lorentz