Reisen & Recherchen

Auf Recherche in Osttirol

Als wir am 26.02.2020 von unserer Lesung in Differdange/Luxemburg zurückgekommen sind, war Corona zwar schon ein gewisses Thema. Dennoch erwarteten wir nicht, dass es innerhalb kürzester Zeit alle Pläne für dieses Jahr über den Haufen werfen würde. Die Buchmesse in Leipzig fiel dem Virus ebenso zum Opfer wie alle Lesungen bis in den September hinein. Auch konnten wir unsere geplante Recherchereise durch Frankreich, Spanien und Portugal wie auch nach Thüringen in den Wind schreiben. Was folgte, war ein viermonatiger Schreibmarathon, der uns zwar erfreulich voranbrachte, uns aber auch in eine ziemliche Isolation versetzte.

Anfang Juni tauchte ein neues Romanprojekt am Horizont auf. Dafür war eine Recherchereise nach Osttirol von Nöten, und diese schien, da Mitte Juni die Grenzen geöffnet werden sollten, auch möglich zu sein. Am 28.06. beluden wir unser Beerchen und machten uns auf den Weg. Unser Ziel war Lienz, die Hauptstadt von Osttirol, und wir kamen trotz Ferienbeginn in einigen Bundesländern gut voran. Wir hatten kaum das Zimmer bezogen und eine Kleinigkeit gegessen, erschien auch schon Dr. Alfred Meschnigg, der uns auf unserer Recherche nicht nur begleiten, sondern uns wie vor mehreren Jahren in Kärnten, Slowenien und Friaul auch fahren würde, da er die Orte, die für wichtig waren, entweder bereits kannte, oder sich im Vorfeld kundig gemacht hatte.

Unser erstes Ziel war das Museum in Aguntum, einst die einzige römische Stadt in Tirol. Selbst Innsbruck war zu jeder Zeit nur ein schlichtes Versorgungslager, wie eine von dort stammende Archäologin, mit der wir im Lauf der Woche sprechen konnten, bedauernd zugeben musste.

Montag ging es dann in das Freigelände. Elmar hatte den Stadtplan der bis jetzt ausgegrabenen Teile durch im Vorfeld erhaltene Unterlagen bereits im Kopf. Trotzdem war es etwas anderes, die Ruinen vor sich zu sehen. Die eine Anlage war größer als erwartet, andere Teile wirkten kleiner, doch als Elmar sie mit Schritten abmaß, zeigte sich, dass sie für ihre Zwecke groß genug waren. Nicht jeder konnte sich damals eine Villenanlage mit mehreren tausend Quadratmetern Grundfläche leisten.

Es begann zu tröpfeln, doch wir trotzten dem himmlischen Nass, bis wir alles gesehen hatten. Als wir dann in einem Lokal bei einem späten Mittagessen waren, blitzte, donnerte und schüttete es, dass es eine wahre Pracht war. Als wir anschließend nach Lienz zu einem weiteren Gesprächspartner fuhren, hatte sich der Himmel wieder aufgehellt und wir kamen trocken dort an. Das Wetter meinte es insgesamt gut mit uns. Es war zwar für jeden Tag Gewitter vorhergesagt. Wir gerieten aber nur in eines, und zwar auf der Rückfahrt von Teurnia am Donnerstag. Alfred wählte eine weniger befahrene Route und so kamen wir gut zurück.

Vor Teurnia war eine Fahrt nach Friaul angesagt. Es ging nach Zuglio, dem antiken Julium Carnicum. Auch hier gab es Ausgrabungen. Das Museum war Corona-bedingt noch geschlossen, doch die Leiterin hatte uns einen dicken Packen Informationsmaterial bereitgestellt. Die Ausgrabungen konnten wir aber besichtigen. Auch aufgrund einiger anderer Eindrücke hatte sich diese Fahrt sehr gelohnt. Unterwegs aßen wir auch zu Mittag und Elmar brachte den Spruch, er hätte sich im März und im April nicht vorstellen können, dass wir am 30.06. in einem Restaurant in Italien sitzen würden.

Es gab noch einige weitere Fahrten und Gesprächspartner. So waren wir in Irschen, auf dem Klosterfrauenbichl in Lienz und auf Schloss Bruck. Der Klosterfrauenbichl wird Iny in Erinnerung bleiben. Josef Kalser, der die Ausgrabungen dort begonnen und es geschafft hatte, dass der Fundort auf die Liste der wichtigsten einhundert Fundstellen in Österreich aufgenommen wurde, meinte, es gäbe einen Weg auf den Gipfel. Nur kooperierte seine Ansicht von Weg nicht mehr der von Iny. Es ging rustikal in die Höhe und Iny brauchte Hilfe, um den Weg hoch und vor allem, wieder nach unten bewältigen zu können.

Der Aufstieg zum Nachbau des Herkulestempels von Gurina hatte es ebenfalls in sich. Hier hatte sich Alfred Meschnigg jedoch im Vorfeld von dem Bauern, dem das Gelände gehörte, die Erlaubnis erhalten, dessen Privatstraße benützen zu können, so dass Iny der ganz lange Fußweg erspart blieb. Es war schon ein imponierender Anblick, dieses Gebäude auf dem Bergsporn zu sehen. Die Stelle war, ebenso wie der Klosterfrauenbichl ein keltischer Kultplatz gewesen, der von den Römern dann übernommen und weitergeführt wurde.

Uns interessierten nicht nur alte, behauene Steine, wie Elmar es einmal ausgedrückt hatte, sondern auch die Wallfahrtskirche St. Ulrich in Lavant und einige andere Stellen. Interessant war auch Teurnia, die von einer keltischen Siedlung zu einer römischen Stadt und zu spätantiker Zeit sogar die Hauptstadt von Norikum wurde. Hier gab es zur Zeit der Ostgoten zwei Bischofskirchen. Die Katholische weiter oben am Hang und die noch etwas größere arianische Kirche im Tal. Diese besticht vor allem durch das große Mosaik des Stifterpaares in einer Nebenkapelle. Auch das Museum in Teurnia war sehenswert für uns.

Am Samstagabend besuchten wir die erste künstlerische Vorführung nach dem Ende der Corona-Schließung auf Schloss Bruck in Lienz. Daniel Kartmann las, musikalisch von Michael Kaupp, Herbert Lindsberger, Detlef Mielke und Johannes Gasteiger begleitet aus den Lebenserinnerungen von Peter Prosch, der in der Zeit des Rokoko als Wanderhändler sein Dasein fristete und dabei zum freiwilligen Hofnarren hoher Herrschaften wurde. Es war eine wunderschöne Sache und ein passender Abschluss unserer Reise. Mit einem Schmunzeln haben wir gesehen, wie die Veranstalter für den gebotenen Abstand sorgten. Jeder zweite Stuhl wurde für besondere Leute reserviert. So genossen wir die Vorführung in Gesellschaft von James Bond, Bart Simpson und Don Camillo! Es zeigte, dass auch Corona dem Humor nicht gänzlich vertreiben konnte.

Noch war unser Aufenthalt nicht ganz zu Ende. Am nächsten Vormittag waren wir noch einmal im Schloss Bruck und besuchten das dortige Stadtmuseum. Nach einer guten Stunde kapitulieren wir allerdings und beschlossen, zu gegebener Zeit wiederzukehren und uns das Museum in aller Ruhe anzusehen.

Auf der Heimfahrt durfte Elmar noch seine Fähigkeiten im Reifenwechseln beweisen. Bald danach war diese Reise zu Ende und uns bleiben vielfältige Eindrücke und ein Romanplot, das wie von selbst gewachsen ist.

Wir bedanken uns für Rat und Tat bei:

Dr. Leo Gomig
Hannes Rohrarch
Ing. Dietmar Smoliner
Ferdinand Kargl
Siegfried Gelhausen
Kati Winkler
Josef Kalser
Mag. Weis
Der Dame vom Museum in Zuglio, die uns das Informationspaket zusammengestellt hat.

Und ganz besonders bei Dr. Alfred Meschnigg, der uns wacker über teilweise recht abenteuerliche Wege gefahren hat.


Iny und Elmar Lorentz