Reisen & Recherchen

Warschau im Mai 2010

Bei Übersetzungen in eine fremde Sprache bekommt man als Autor im Allgemeinen eine Kopie des Lizenzvertrags vorgelegt und erhält später irgendwann ein paar Belegexemplare. Persönliche Kontakte zu den ausländischen Verlagen sind hingegen eher selten. Daher haben wir uns 2008 sehr gefreut, als wir auf Buchmesse in Frankfurt mit Frau Urszula Pawlik eine sehr engagierte Dame aus Polen kennenlernen durften, die als freie Mitarbeiterin des Sonia-Draga-Verlags maßgeblich an der polnischen Ausgabe der Wanderhure beteiligt war.

Im Frühjahr 2009 lud Frau Pawlik uns im Namen der Verlegerin Sonia Draga zur Buchmesse nach Warschau ein. Da unsere für 2009 bereits feststehende Lesereise genau in die Zeit der Buchmesse fiel, mussten wir bedauerlicherweise absagen.

Heuer wurde bei unseren Planungen von Anfang an der Termin der Warschauer Buchmesse berücksichtigt, so dass wir uns am Donnerstag, den 13.05.2010 in Richtung Flughafen auf den Weg machen konnten. Mit der für München üblichen Verspätung hob der Silbervogel ab und brachte uns nach Polen. Wir kamen dort gut an, holten unser Gepäck und wurden am Ausgang bereits von Frau Pawlik und Frau Dragas persönlicher Assistentin Barbara empfangen. Die Verspätung in München rächte sich jetzt allerdings, denn auf der Fahrt zum Hotel gerieten wir voll in die Warschauer Rushhour. In dieser Hinsicht hat Warschau es zur fünft staureichsten Metropole in Europa geschafft. Die Planungen für den Spätnachmittag und Abend mussten daher rasch revidiert werden. So wurde das Abendessen durch einen schnellen Kaffee an der Hotelbar ersetzt, dann ging es bereits strammen Schrittes zur Eröffnungsfeier der Buchmesse mit anschließendem Cocktailempfang. Während im Festsaal noch Reden gehalten wurden, besorgte Frau Pawlik bereits die Getränke und machte auch das stattliche Büffet ausfindig, das uns für das entgangene Abendessen mehr als entschädigte.

Frau Draga, die Verlegerin, war noch auf einer Besprechung, verließ diese aber für kurze Zeit, um uns zu begrüßen. Für uns hieß es allerdings, bald ins Hotel zurückzukehren, da wir am nächsten Morgen um 05:30 Uhr zum ersten Fernsehinterview in den Kulturnachrichten des Senders PolSat abgeholt werden sollten. Kurz vor dem Schlafengehen wurde die Abholzeit telefonisch zwar auf 05:45 Uhr revidiert, aber das war keine wirkliche Erleichterung.

Daher sah uns der Freitagmorgen zu noch nachtschlafender Zeit aus unseren Betten kriechen. Nachdem wir uns die Sandkörner aus den Augen gewaschen und uns angezogen hatten, fuhr Frau Dragas Assistentin Barbara Frau Pawlik und uns auf die andere Weichselseite zum Sendegebäude. Nach der Maske und einem Schluck Wasser begann das Interview. Wie auch bei den weiteren Interviews dolmetschte Frau Pawlik für uns, so dass wir uns gut aus der Affäre ziehen konnten.

Anschließend ging es durch halb Warschau mit zunehmendem Verkehr wieder zurück ins Hotel und damit zum Frühstück. An dem reichhaltigen Büffet konnten wir das frühe Aufstehen vergessen und Kraft für die nächsten Stunden tanken.

Damit wir nicht nur den Warschauer Kulturpalast, in dem die Buchmesse stattfand, und verschiedene Fernsehstudios kennenlernen sollten, hatte Frau Draga eine Stadtbesichtigung für uns arrangiert. Zusammen mit Frau Pawlik und einer Fremdenführerin machten auf den Weg in die historische Altstadt, die während des 2. Weltkriegs vollkommen zerstört und deren Fassaden später detailgetreu anhand der Stadtporträts des Malers Canaletto wieder aufgebaut worden waren. Der Unterschied zwischen dem überladenen Prunk des im stalinistischen Zuckerbäckerstil errichteten Kulturpalastes und der Altstadt, vor allem aber dem wiedererrichteten Königsschloss war enorm. Die Führung selbst war sehr interessant und stand lange Zeit wettermäßig unter einem guten Stern. Im Lazenki-Park verließ uns jedoch unser Glück, denn die Schleusen des Himmels wurden geöffnet, als wir uns gerade im Zentrum des Parks befanden und durch den Regen den Ausgang gewinnen mussten.

Etwas feucht erreichten wir schließlich wieder den Kulturpalast. Dort gab es am Sonia-Draga-Stand einen Tee zum Aufwärmen, und dann ging es ging es quer durch die Stadt zu einem Internet-TV-Interview. Nachdem auch dieses gut über die Bühne gegangen war, suchte Barbara ein typisch polnisches Lokal, in dem wir Mittagessen sollten. Im dichten Warschauer Verkehr brauchte sie eine Weile, so dass wir schließlich mit über einer halben Stunde Verspätung zu in den Kulturpalast zurückkamen, wo wir längst mit dem Signieren hätten beginnen sollen.

Für uns war es überraschend, aber auch sehr erfreulich, wie viele Leute sich eine Signatur von uns wünschten. Unsere unermüdliche Betreuerin Frau Pawlik hatte ordentlich zu tun, uns polnischen Vor- und teilweise auch Familiennamen aufzuschreiben, damit wir diese auch richtig in die Bücher schreiben konnten. Zwischendurch gab es ein Interview am Stand, und dann ging es weiter mit Signieren. Wir hatten zwar einen Stapel Autogrammkarten mitgenommen, aber der schmolz wie Schnee in der Sonne, und als der Abend hereinbrach, waren nur noch wenige Karten vorhanden.

Nach Feierabend führte Frau Pawlik uns in ein Restaurant mit ukrainischer Küche, in dem wir zu Abend aßen und die Zeit mit einer angeregten Unterhaltung verbrachten, dann ging es ins Hotel zurück und kurz darauf ins Bett.

Samstagmorgen hatten wir etwas mehr Zeit zum Ausschlafen und konnten uns beim Frühstück noch einmal ausgiebig mit Frau Pawlik unterhalten. Anschließend ging es erneut zum Kulturpalast. Es standen die letzten Interviews an, dazu galt es, noch einmal kräftig zu signieren. Die Hallen wurden immer voller und die Damen am Sonia-Draga-Stand hatten alle Hände voll zu tun, denn anders als in Frankfurt oder Leipzig konnten nämlich auf dieser Messe Bücher gekauft werden. Es war erstaunlich, wie viele Wanderhuren, Töchter der Wanderhure und Feuerbräute an die Frau oder den Mann gebracht wurden, und wir erfüllten gerne die Autogrammwünsche der Käufer.

So ging es mehrere Stunden lang. Sonia Draga blickte zuletzt immer nervöser auf ihre Uhr, denn sie wollte uns nicht hungrig nach Hause fliegen lassen. Als der Ansturm sich am Nachmittag ein wenig legte, lotste sie uns und Frau Pawlik in das Bistro des Kulturpalastes und bestellte das schnellste Essen, das auf den Tisch gebracht werden konnte. Wie auch bei den anderen Mahlzeiten schmeckte es hervorragend. Doch kaum waren die Teller leer, eilten wir zum Parkplatz und hofften, dass der Autoverkehr in Warschau uns diesmal gewogen wäre. Frau Draga saß selbst am Steuer und vollbrachte das Wunder, uns in einer unwahrscheinlich kurzen Zeit zum Frederik-Chopin-Airport zu bringen. Es blieb sogar noch Zeit für einen schnellen Kaffee, dann galt es, Abschied zu nehmen. Während Frau Draga und Frau Pawlik wieder Richtung Kulturpalast aufbrachen, durchschritten wir die Sicherheitskontrollen und konnten kurz darauf den Riesenvogel betreten, der uns wieder in die Heimat bringen sollte.

Hinter uns lagen drei aufregende Tage in einer quirligen Stadt, eine sehr interessante Buchmesse und die Erinnerung an eine von Herzen kommende Gastfreundschaft, für die wir uns noch einmal bei Frau Draga und ihrem Team, aber auch bei unserer fürsorglichen Betreuerin Urszula Pawlik bedanken wollen. Sie alle haben den Aufenthalt in Warschau für uns zu einem Erlebnis gemacht, an das wir uns immer gerne zurückerinnern werden.

Iny und Elmar Lorentz