Reisen & Recherchen

Bei der Wanderhure in Fót

Viele unserer Fans wissen es bereits: Unser erfolgreichster Roman, 'Die Wanderhure', wird derzeit mit Alexandra Neldel in der Hauptrolle in Ungarn und Österreich für Sat1 verfilmt. Produziert wird der Film von Andreas Bareiss und Sven Burgemeister von TV60, die zudem den österreichischen Oscar-Preisträger Josef Aichholzer und den ungarischen Produzenten László Kantor als Co-Produzenten gewinnen konnten. Die Dreharbeiten begannen am 21.09.2009 und sollen Mitte November 2009 abgeschlossen sein.

Schon im Vorfeld erreichte uns die Einladung der Produzenten, zwei Tage lang beim Dreh dabei zu sein und unsere 'Marie' live zu erleben. Als Termin wurden der 25. und 26.10.2009 bestimmt, da an diesen Tagen in Fót bei Budapest mehrere der entscheidenden Szenen des Films auf dem Drehplan standen.

Da wir diese Reise wie gewohnt mit Auto und Wohnwagen antreten wollten, begann der 24.10.2009 für uns zu noch nachtschlafender Zeit. Um 06:45 Uhr waren die letzten Vorbereitungen getroffen und Elmar fuhr zur S-Bahnstation, um unsere Filmagentin Isabel Schickinger abzuholen. Um ja rechtzeitig bei uns zu sein, war diese eine S-Bahn früher gefahren und wartete bereits mit einer Butterbrezel und einem Becher Kaffee in der Hand auf ihn.

Da eine für ein Wohnwagengespann recht lange Tagesstrecke vor uns lag, ging es umgehend los. Immerhin wollten wir Budapest und unseren Campingplatz noch bei Tageslicht erreichen. Dies gelang uns auch. An unserem Ziel angekommen stellten wir den Wohnwagen ab und brachten Isabel zu ihrem Hotel.

Am Sonntag, den 25.10.2009, fuhren wir dann alle drei zu den Filmstudios in Fót. Am Set angekommen wurde uns sofort bedeutet, leise zu sein, da gerade eine der entscheidenden Szenen des Films gedreht wurde. Fast gleichzeitig hörten wir die zornigen Rufe der aufgebrachten Huren. Als dann auch noch die klare, bewegende Stimme von Alexandra Neldel als Marie aufklang, ging es nicht ohne Gänsehaut bei uns ab.

In einer kurzen Drehpause wurden wir zu einem Balkon geführt, von dem aus wir einen wunderbaren Ausblick auf das Geschehen hatten. Als Erstes sahen wir eine Menge Leute in mittelalterlichen Gewändern, zumeist Frauen jeden Alters, hübsche und weniger hübsche, mit den im Roman beschriebenen Hurenbändern am Ärmel. Dann aber richteten sich unsere Blicke auf die eine Gestalt im Vordergrund, die in unserer Fantasie entstanden war und nun lebendig geworden war. Für uns war es ein besonderer Augenblick, Alexandra Neldel als Marie zu sehen. Wir wussten zwar, dass es sich um eine ausgezeichnete Schauspielerin handelt, und hatten uns sehr gefreut, dass sie die Rolle übernommen hat. Doch sie so schön und gleichermaßen zerbrechlich und unbeugsam vor uns zu sehen, hatten wir nicht erwartet.

Es dauerte eine ganze Weile, bis wir den Blick von ihr lösen konnten, um uns die anderen Darsteller anzusehen. So stellte Thure Riefenstein einen Dietmar von Arnstein dar, wie wir selbst ihn nicht besser hätten aussuchen können. Götz Otto stand als prachtvoller Kaiser Sigismund inmitten seiner Höflinge und wurde in seiner Rolle nur einmal gebremst, als ihm jemand aus Versehen auf den Umhang trat. Auch die restlichen männlichen Rollen waren ausgezeichnet besetzt, ob nun Michael Brandt als Graf Keilburg oder Gregor Seeberger als Hunold. Auf Bert Tischendorf als Michel und Julian Weigend als Ruppertus mussten wir an diesem Tag allerdings verzichten. Sie wurden uns aber für den Nächsten versprochen.

Unsere Blicke wanderten indes weiter und suchten die von Nadja Becker sehr ansprechend verkörperte Darstellerin der Hiltrud. Sie stand, wie nicht anders zu erwarten, nahe bei ihrer Freundin Marie, gekrönt von einer entzückenden Frisur, die sie unter all den anderen Huren heraushob. Auch die von Lili Gesler gespielte Französin Madeleine trat genauso keck vor Sigismund auf wie in unserem Roman.

Wir lernten auch Elena Uhlig als energische Mechthild von Arnstein kennen. Mit Thure Riefenstein zusammen bildet sie ein Paar, das wie fast alles an diesem Set unserer eigenen Vorstellung hätte entstiegen sein können.

Besonders würdigen wollen wir hier die Leistung der ungarischen Komparsen und Komparsinnen und hier vor allem jene, die Marie/Alexandra Neldel als aufständische Huren beistanden. Isabel hatte uns den Drehplan dieses Tages gezeigt und da stand: 03:00 Uhr: 70 Huren in die Maske. Doch auch Alexandra Neldel und die anderen Darstellerinnen mussten zu einer unchristlich frühen Zeit in die Maske, da für den Drehtag jedes Fizzelchen Tageslicht ausgenützt werden musste.

Trotz des engen Drehplans fanden Alexandra Neldel und Nadja Becker während einer Umstellung der Kameras Zeit, uns zu begrüßen und ein paar Worte mit uns zu wechseln. Beide erwiesen sich als so liebe Menschen, dass es uns direkt leid tat, mit ansehen zu müssen, wie sie die kraft- und konzentrationsraubenden Szenen immer wieder spielen mussten, bis auch die letzte Kameraeinstellung zur Zufriedenheit des Regisseurs Hansjörg Thurn abgedreht war.

Wir waren an diesem Tag nicht die einzigen Gäste am Drehort. So hatte sich auch eine Abordnung von Sat1 eingefunden, um zu sehen, wie ihre Gelder verwendet werden. Wir glauben, sie waren von dem Gezeigten ebenso fasziniert wie wir. Eine Dame von TV-Movie und eine Reporterin der DPA hatten es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, nach Fót zu kommen.

Nachdem dieser Drehtag beendet worden war, trafen wir uns mit den übrigen Gästen, den Produzenten sowie den Hauptdarstellern zum Abendessen. Hier lernten wir auch 'Michel' und 'Ruppertus' kennen und konnten mit ihnen und den meisten Schauspielerinnen und Schauspielern sprechen. Nadja Becker gab ihre Erfahrungen mit 'Hiltruds' Ziegen humorvoll zum Besten. Die Tiere wären zwar sehr lieb gewesen, sagte sie uns, hätten aber fürchterlich gestunken. Da sie sich um die Ziegen kümmern musste, hätte sie ihre Hände jeden Abend fünfmal gewaschen, und zwar auch mit Spülmittel und Gallseife, allerdings ohne viel Erfolg. Von Elena Uhlig erfuhren wir, dass sie von allen Beteiligten 'Die Wanderhure' am längsten kannte, da sie den Roman bereits bei Erscheinen als Reiselektüre gekauft hatte. Auch sonst war der Abend recht munter. 'Ich bin Linhard!', 'Ich bin Giso!', hieß es, so sehr hatten die Schauspieler sich mit ihren Rollen identifiziert.

Da auf dem Drehplan für Montag, den 26.10.2009 ebenfalls geschrieben stand. 03:00 Uhr: 70 Huren in die Maske, und auch die Schauspieler sehr früh dort sein mussten, verabschiedeten sich Alexandra und die anderen Akteure zu gegebener Zeit, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu finden.

Auch für uns wurde die Nacht nicht gerade lang, da wir am nächsten Tag relativ früh vor Ort sein sollten. Bevor wir allerdings Isabel abholten, um mit ihr nach Fót zu fahren, suchten wir in Budapest einen Buchladen auf. Wir hatten im Internet erfahren, dass gerade zu der Zeit die ungarische Übersetzung der Wanderhure erschienen war, und wollten uns unbedingt eine Ausgabe besorgen. Dies gelang und wir konnten kurz darauf unseren Fund in Fót vorzeigen. Die ungarischen Komparsinnen waren begeistert, dass es das Buch, an dessen Verfilmung sie mitwirkten, nun auch in ihrer Muttersprache gab.

Viel Zeit zum reden blieb allerdings nicht, denn Hansjörg Thurn wollte an diesem Tag unbedingt eine ganz bestimmte Szene fertig drehen. Wir hatten wieder unseren Logenplatz auf dem Balkon, und nun waren auch Bert Tischendorf (Michel) und Julian Weigend (Ruppertus) mit von der Partie.

Andreas Bareiss und Sven Burgemeister von der federführenden Produktionsfirma TV60, die sich beide fürsorglich um uns kümmerten, hatten für unseren Setbesuch extra zwei Drehtage ausgewählt, an denen wir eine möglichst große Anzahl an Hauptdarstellern in Aktion sehen konnten. Es war auch ein Fotoshooting mit Alexandra Neldel geplant, doch Hansjörg Thurn verschob dies immer wieder.

Der für die Bauten verantwortliche Filmarchitekt erzählte uns, dass er mit einigen Leuten seines Teams vor den Arbeiten für die Wanderhure in Konstanz gewesen sei, um sich anhand der noch vorhandenen mittelalterlichen Bausubstanz ein Bild von den Gegebenheiten zur Zeit des Konstanzer Konzils zu machen. Zwischendurch zeigte er uns auch einige der Kulissen, an denen bereits gedreht wurde oder noch gedreht werden sollte.

Es war schon ein seltsames Gefühl, Maries Elternhaus vor uns zu sehen, das Gerüst mit dem Schandpfahl, oder auch nur die mittelalterlich aussehenden Gassen der Kulissenstadt. Wir geben gerne zu, dass diese Anlage in ihre Grundgerüst bereits seit längerem steht, aber sie wurden extra für die Wanderhure mit viel künstlerischem und produktionstechnischem Aufwand hergerichtet. Der Regisseur Hansjörg Thurn sagte in einem Interview auch, dass dieser Film ohne diese Kulissen niemals hätte gedreht werden können.

Ganz ohne eigene Neubauten für die Wanderhure ging aber doch nicht, und so standen wir auch in der guten Stube des Schärerhauses. Diese war noch nicht ganz fertig gestellt, bot aber trotzdem einen imponierenden Anblick. Nicht weniger als über diese prachtvolle Stube haben wir uns über den kleinen Leiterwagen in einer Ecke der Halle gefreut, der mit Ziegen bespannt eine wichtige Rolle in diesem Film spielt. Mit ihm hatten unsere Vorstellungen endgültig Gestalt angenommen.

An der Stelle müssen wir die Kostüme und Requisiten loben. Huren, Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Edelleute und die Geistlichkeit sahen einfach toll aus, ebenso die Leibwachen des Königs und die Stadtknechte. Hier waren die Kettenhemden noch Kettenhemden, die Helme massiv und die Schwerter so schwer, dass diejenigen, die eines trugen, diese in den Drehpausen gerne aus den Scheiden zogen und in einer Ecke abstellten.

Eine hübsche kleine Episode gibt es auch noch erzählen. Der Knaur-Verlag hatte uns einige Exemplare der Wanderhure zur Verfügung gestellt, die wir den Hauptdarstellern überreichen durften. Als wir nach der Besichtigung der anderen Setteile zum Drehort zurückkamen, saß Gregor Seeberger alias Hunold, der gerade drehfrei hatte, gemütlich auf einem Stuhl und las in unserem Buch.

Wir warteten derweil immer noch auf den Fototermin mit Alexandra Neldel. Da aber die bewusste Szene noch nicht fertig gedreht war und niemand den Regisseur drängen wollte, wurde kurzerhand beschlossen, die Fotos zu späterer Zeit in München nachzuholen. Um die Schauspieler und das Drehteam nicht zu stören, verabschiedeten wir uns leise von Andreas Bareiss und Sven Burgemeister und schlichen uns vorsichtig davon. Auf dem Weg zum Auto kam Isabel auf die Idee, in der Filmkantine noch einen Kaffee zu trinken. Dort wurden auch die während des Tages ausgeschalteten Handys wieder aktiviert. Kaum war dies geschehen, meldete sich die Produktionssekretärin ganz aufgeregt, dass der Drehtag jetzt doch beendet sei und wir noch einmal für die Fotos zurückkommen sollten. Sie wähnte uns bereits auf der Schnellstraße nach Budapest.

Da uns allerdings der Kaffee aufgehalten hatte, waren es für uns nur ein paar Schritte und so konnten die Fotos noch geschossen werden, zuerst mit Alexandra Neldel, Iny und Elmar, dann kam Bert Tischendorf als Michel hinzu, und schließlich Kaiser Götz Otto Sigismund. Der ungarische Co-Produzent László Kantor wollte unbedingt, dass die ungarische Ausgabe der Wanderhure ebenfalls aufs Bild kam. Isabel, die auf Inys Kopftuch und Mütze sowie auf Elmars Rucksack aufpasste, wurde daher mit der Forderung 'Give me the Book!' konfrontiert und drückte ihm erst einmal Kopftuch, Mütze und ihren Kaffeebecher in die Hand, um in Elmars Rucksack nach dem Buch wühlen zu können. Dann aber war es so weit und das Foto konnte gemacht werden.

Der Fototermin bot uns die Gelegenheit, uns bei Alexandra Neldel für ihre famose Darstellung der Marie zu bedanken und ihr und dem gesamten Team noch viel Glück für die restlichen Drehtage zu wünschen.

Danach schieden wir mit einer gewissen Wehmut vom Drehort, denn am liebsten wären wir dort geblieben, bis die letzte Szene fertig gedreht ist.

Wir bedanken uns bei den Produzenten und den Schauspielern für zwei wunderschöne Tage und freuen uns auf einen großartigen Film.

Iny und Elmar Lorentz