Reisen & Recherchen
Teil eins: Bis Zamosc
Das Leben eines Schriftstellers ist manchmal eintöniger, als viele Leute glauben. Man sitzt vor dem Bildschirm, tippt seine Texte ein und kommt eigentlich viel zu selten an die frische Luft. Nicht zuletzt deswegen bieten Recherchereisen eine angenehme Abwechslung. Man kommt dabei in bislang fremde Gebiete und lernt Land und Leute kennen. So war es auch diesmal bei unserer Reise durch Polen. Geplant war sie eigentlich schon letztes Jahr, doch mussten wir sie aufgrund verschiedener Umstände auf heuer verschieben.
Besonders erfreulich war für uns, dass unsere polnische Freundin, Entdeckerin und Förderin Urszula Pawlik sich bereit erklärt hatte, uns auf dieser Reise zu begleiten. Urszula kennt Polen und seine Geschichte wie ihre Westentasche und hatte für uns ein Programm zusammengestellt, das einfach gigantisch war. Ebenfalls mit dabei war unsere Freundin Ingeborg, die Gefährtin so mancher Recherchereise. Nach kurzer Überlegung, nach Krakau zu fliegen und von dort einen Mietwagen zu nehmen, entschieden wir uns dann doch, unserem braven Beerchen zu vertrauen, auch wenn unsere An- und Abreise sich dadurch um jeweils einen Tag verlängerte.
Am Vormittag des 04.06.2015 begann die Fahrt. Unser erstes Ziel war Görlitz. Nach einer Übernachtung ging es dann weiter nach Brieg/Brzeg. Dort hatten wir uns mit Urszula um 15:00 Uhr verabredet. Wir kamen bereits gegen Mittag an und wenig später erschien auch Urszula. Dies gab uns die Gelegenheit, die Hauptstadt des alten schlesischen Herzogtums gleich noch am Nachmittag zu erkunden. Ein weiteres Ziel auf dieser Etappe war Ohlau/Olawa.
Auf der Weiterfahrt leitete Urszula uns zu einigen interessanten und wunderschönen Punkten. Das nächste Etappenziel war jedoch Tarnowitz/Tarnowski Góry. In diesem Ort hatte Urszula uns die Gelegenheit verschafft, mit einem polnischen Historiker über die Epoche zu sprechen, in der unser Roman spielen wird. Auch sonst hatte Urszula alles perfekt vorbereitet. So erhielten wir in etlichen Museen Sonderführungen mit fachlicher Leitung, oder konnten Museen, die sonst nur mit Führung zu besuchen waren, individuell besichtigen.
Der nächste Ort unserer Reise war Tschenstochau/Czestochowa. Auch hier erwies sich Urszula als kundige Führerin. Wir hatten sogar Glück, denn der Besucherandrang an diesem Tag war eher gering, so dass wir alles in Ruhe betrachten konnten. Auch wenn Tschenstochau keine große Rolle in unserem Roman erhalten wird, so war es doch wichtig, diesen Ort zu sehen, um die polnische Seele erkunden zu können.
Es folgte die Fahrt nach Warschau, die Ingeborg vor allem durch den Gasthof, in dem wir unterwegs zu Mittag gegessen hatten, in Erinnerung geblieben ist. Das Essen dort war ausgezeichnet, was man von einem Restaurant, das praktisch an der Autobahn liegt, sonst nicht erwartet. In Warschau entkamen wir glücklicherweise der Rushhour und hatten daher Zeit, uns am Nachmittag noch ein wenig umzusehen. Als sehr positiv erwies sich die Tatsache, dass in der Nähe unseres Hotels eine Bushaltestelle lag, von der aus wir alle anvisierten Ziele erreichen konnten. Auch hier galt es, einige Museen zu besuchen und Anschauungsmaterial zu besorgen. Mit Urszulas Unterstützung gelang auch das. Vor fünf Jahren waren wir anlässlich der Buchmesse bereits in Warschau gewesen und wandelten daher teilweise auf bekannten Pfaden. Als wir Warschau wieder verließen, war unsere Tasche mit Recherchematerial bereits ganz schön schwer geworden. Dabei lagen noch drei Etappen vor uns.
Auf dem nächsten Teilstück trafen wir auf ein Ausflugslokal, das übersetzt 'Armut' hieß. Das Essen war allerdings ausgezeichnet und die Portionen etwas für Schwerkranke, wie Ingeborg zu sagen pflegt. Man muss schon Pole sein, um diese Mengen zu sich nehmen zu können. Nachdem wir entsprechend gestopft waren, ging es weiter zum geplanten Ziel.
Zamosc nahe der ukrainischen Grenze war eine typische Magnatenstadt. Hier herrschte eine Familie, deren Reichtum den vieler deutscher Fürsten übertraf und die Architekten und Künstler aus Italien holte, um diesen Reichtum in Stein erbauen und meißeln zu lassen. Für uns war es ein Erlebnis, die Stadt und ihre Museen zu erleben. Bei allen unseren Stationen hatten wir gewaltige Kunstschätze erlebt und das, obwohl im Zweiten Weltkrieg sehr viel zerstört oder beiseitegeschafft worden war. Hier in Zamosc war es nicht anders. Urszula lächelte mild, denn sie kannte ihre Lubomirskis, Sapiehas, Radziwill und wie die Magnatensippen alle hießen. In deren Residenzen war gewaltiger Reichtum angehäuft und in einen repräsentativen Rahmen verwandelt worden.